Scripta volant, verba manent
Schriftkulturen in Europa zwischen 1500 und 1900/Les cultures de l'écrit en Europe entre 1500 et 1900. Hrsg. von Alfred Messerli und Roger Chartier. Tagung in Ascona, Monte Verità, vom 2. bis 7. November 2003. Im Zentrum der 23 Beiträge stehen Schriftkultur, Kommunikationssysteme, Mündlichkeit und populäre Lesestoffe. Das Themenspektrum reicht vom Verhältnis von Schriftkultur und Volkskultur am Beispiel gereimter Ritterepen im frühneuzeitlichen Italien über die Aufnahme mündlicher Zauberformeln in populären Drucken bis hin zu populären Erzählstoffen wie dem Maister Grillo oder dem deutschen Eulenspiegel in ihrer wiederholten redaktionellen Bearbeitung. Der Frage nach dem Spannungsverhältnis von Mündlichkeit und Schriftkultur wird anhand der Lesestoffe für den 'Gemeinen Mann' in Dänemark im 17. Jahrhundert, der Vorlesekultur in einer bäuerlichen Kultur im Ungarn der Frühen Neuzeit, des Tagesschrifttums im England des späten 17. Jahrhunderts und der Vorlesepraktiken im 18. und 19. Jahrhundert in der Schweiz nachgegangen. Die Beziehungen von Handschrift und Buchdruck einerseits und von Handschrift und Gedächtnis andererseits sind das Thema von Aufsätzen über spanische Schreibmeisterbücher, venezianische Familienchroniken und die Publikation italienischer Briefeditionen des 16. Jahrhunderts. Ebenso werden Schreibtafeln in Spanien, eine Art frühneuzeitliches Notizbuch, und ihre Bedeutung für das Gedächtnis behandelt; daneben der außerordentliche Fall des 'Graffitomanen' Rétif de la Bretonne und ein Korpus anonymer Briefe des 19. Jahrhunderts. Ein Aufsatz untersucht das Phänomen der bäuerlichen Rezeption von Torquato Tassos Gerusalemme liberata in Italien und in Korsika zwischen dem 16. und dem 20. Jahrhundert. Am Beispiel von Briefwechseln, der Sonette Shakespeares, der niederländischen Tagebuchkultur des 17. Jahrhunderts sowie der Briefkultur südafrikanischer Wanderarbeiter um 1900 ergründen Aufsätze den Zusammenhang von Schriftkultur und der Konstruktion des Selbst. Der Band wirft die Frage auf, ob nicht eher das gesprochene Wort von Dauer sei. 536 Seiten mit 9 Textabb., 7 Farb- und 28 s/w-Tafeln, Leinen (Schwabe Verlag 2007)
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